Prof. Dr. Horst-Jürgen Gerigk
Prof. Dr. Horst-Jürgen Gerigk

Rezensionen

Horst-Jürgen Gerigk

 

Dichterprofile. Tolstoj, Gottfried Benn, Nabokov

 

Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2012 (= Beiträge zur neueren Literaturwissenschaft; Bd. 312), 140 Seiten. 39,- Euro.

 

ISBN 978 – 3 – 8253– 6117 – 4

 

Inhaltsverzeichnis

 

Landshuter Zeitung, 22. Dezember 2012

 

Neue Zürcher Zeitung, 7. Mai 2013

 

Germanistik. Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen. 2013, Band 54, Heft 3-4

 

Eslavística Complutense 14 (2014)

 

Komparatistik. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft 2014/2015

Information zu „Dichterprofile. Tolstoj, Gottfried Benn, Nabokov“

 

Drei Meister, die, was ihre geistige Herkunft und ihre Zielgruppe betrifft, verschiedener gar nicht denkbar sind, werden in ihrer Eigenart vorgestellt und in ihrem Lebensvollzug erfasst. Alle drei gehören zum festen Bestand des kollektiven literarischen Bewusstseins unserer Gegenwart. Zentrum der Betrachtung bleibt die Wirklichkeit ihrer Kunst: von Tolstoj die Romane Krieg und Frieden und Anna Karenina sowie die Erzählungen Aufzeichnungen eines Markörs und Der Teufel; von Gottfried Benn das Gedicht Chopin und seine »Zwei Gespräche« Drei Alte Männer; von Nabokov die Romane Maschenka, Lolita und Pnin. »Dichterprofile« sind Porträts aus heutiger Sicht, die mit historischem Sinn überzeitliche Strukturen freilegen.

Landshuter Zeitung, Samstag, 22. Dezember 2012

Magazin zum Wochenende

 

Am Nobelpreis vorbeigeschrammt
Horst-Jürgen Gerigk liefert drei Dichterprofile von Tolstoj, Benn und Nabokov

Von Dr. Heide Seele

 

Drei Autoren der Weltliteratur in einem Band. Da fragt man sich nach den Kriterien für solch eine Zusammenschau. Der publikationserfahrene Horst-Jürgen Gerigk, seit 1974 als Professor für Russische Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg lehrend, dazu Gründungsmitglied der Internationalen Dostojewskij-Gesellschaft, hat seine Forschungen nicht nur auf russische Autoren beschränkt. Seinen interdisziplinär bestimmten Ansatz dokumentiert er jetzt erneut mit drei „Dichterprofilen“, in denen er den Russen Lew Tolstoj, den Deutschen Gottfried Benn und den Amerikaner Vladimir Nabokov vorstellt. Die Autoren weisen zwar keine Gemeinsamkeiten auf, nehmen aber einen festen Platz in der Literaturgeschichte wie in unserem kollektiven literarischen Bewusstsein ein und sind alle „am Nobelpreis für Literatur vorbeigeschrammt“, wie Gerigk anmerkt. Jeder von ihnen steht monolithisch für sich, obwohl Benn und Nabokov gleichzeitig in Berlin lebten, der eine aber kein englisch, der andere kein deutsch sprach und Nabokov Tolstoj zwar schätzte, aber nicht wirklich von ihm beeinflusst wurde.

Gerigk betrachtet die drei Dichter als „Denkräume“ und bezeichnet ihre literarischen Texte als Destillat ihrer dichterischen Existenz. Für Tolstoi stehen „Krieg und Frieden“, „Anna Karenina“ und zwei Kurzgeschichten, für Benn die Lyrik und „Drei alte Männer“ und für Nabokov die Romane „Maschenka“, „Lolita“ und „Pnin“. Diese Werke erfahren in den drei Essays eine sorgsame Exegese, und der jeweilige Autor tritt plastisch hervor. Als Grundgedanken bei Tolstoj hebt Gerigk die Unterscheidung zwischen dem „geistigen“ und dem „animalischen Menschen“ hervor. Sie prägte alles, was er schrieb, und der Interpret bezeichnet es als schwierig, ein Porträt des vielseitigen Dichters zu liefern, der so viele unterschiedliche Textsorten hinterließ. Der erfahrene Slawist zählt den häufig übersetzten Tolstoj, der Autoren wie Zola oder Stephen Crane beeinflusste, zu den „großen Vier“ in Russland neben Gontascharow, Turgenjew und Dostojewski, stellt ihn in unterschiedliche Kontexte und spürt den Widersprüchen in seinem Charakter nach.

Das zweite Kapitel widmet der Literaturwissenschaftler der in Berlin lebenden 90-jährigen Ursula Ziebarth, der einstigen Geliebten von Gottfried Benn, dessen illusionsloses Bild vom Menschen er wachruft. Sein Werk bezeichnet er als „Reflexionen aus dem beschädigten Leben“. Gottfried Benn, der sein ganzes bewusstes Leben lang seine Innerlichkeit und seine Außenwelt thematisierte und der durch die bitteren Erfahrungen als Arzt zum Dichter wurde, ist in der Literaturgeschichte primär durch seine Lyrik präsent, aber in vorliegendem Buch wird auch seine Prosa behandelt. Den auf drei Stimmen verteilten inneren Monolog „Drei alte Männer“ bezeichnet Gerigk als geistiges Testament des Dichters. Benns vielzitierte Formel „Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch“ grenzt Gerigk klar von Brechts und Villons Einstellung ab, da ihr Feind nicht in der Menschlichkeit des Menschen steckt, sondern in den - änderbaren - sozialen Verhältnissen.

Von Vladimir Nabokov schließlich, der aus politischen Gründen mit zwanzig Jahren Russland verließ und 1977 als Amerikaner in der Schweiz starb, skizziert Gerigk die eingangs erwähnten Romane, auch „Lolita“, dessen Verfilmung lange Zeit ein Auf reger im prüden Amerika war. Die literarische Entwicklung des Dichters, Universitätslehrers und Schmetterlingsforschers wird eng verzahnt mit seiner Rezeption dargestellt, und der Leser fühlt sich zur (erneuten) Beschäftigung mit diesem Russen in Amerika aufgefordert.

Horst-Jürgen Gerigk: Dichterprofile. Tolstoj, Gottfried Benn, Nabokov. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2012. 140 Seiten, 39 Euro.

Neue Zürcher Zeitung, Dienstag, 7. Mai 2013

 

Wie Dichter sich profilieren

 

U. Sm. · Der Heidelberger Komparatist Horst-Jürgen Gerigk gehört zu den hellsichtigsten Literaturwissenschaftern unserer Zeit. In einem eleganten Bändchen hat er drei exemplarische Autorenporträts versammelt: Lev Tolstoi, Gottfried Benn und Vladimir Nabokov. Dabei geht es Gerigk nicht etwa um das Nachzeichnen von Biografien oder um kleinteilige Textinterpretationen. Seine Frage lautet viel fundamentaler: Wie bringen Dichter ihre eigene Welt in ihrem Werk zum Ausdruck? Gerigk unterstreicht, dass Lesen ein Verstehen zweiten Grades ist - jeder Autor hat ja die Welt bereits auf eine ganz bestimmte Art verstanden und will seinem Publikum das eigene Weltverständnis aufdrängen. Die Aufgabe der Literaturwissenschaft besteht also recht eigentlich darin, Verstandenes zu verstehen. Jeder Autor bringt seine Grundsicht auf die Welt in seinem Gesamtwerk zum Ausdruck. Tolstois Schaffen ist von einer rousseauistischen Grundhaltung getragen: Er kämpft gegen alle Institutionen der menschlichen Gesellschaft und schüttelt seine Faust insbesondere gegen falsche Ästhetisierungen, die ihm nur als Verfälschungen des gesunden Naturzustands gelten. Benn vertritt ein radikal pessimistisches Menschenbild, in dem die leicht korrumpierbare Seele vom allmählich verfallenden Körper determiniert wird. Nabokov schliesslich ist ein Musterbeispiel für einen wirklichkeitsetzenden Autor: Er gaukelt seinen Lesern vor, die narzisstische Phantasie seines Protagonisten sei tatsächlich Wirklichkeit. Gerigks Lektüren sind Musterbeispiele der kritischen Anverwandlung einer fremden Position. Gleichzeitig zeigen sie auf, wie anspruchsvoll Lesen ist: Man darf den Autoren nicht naiv glauben, was sie als wahr verkaufen, sondern muss ihre Geheimagenda unter der oft effekthascherischen Oberfläche des Textes rekonstruieren. Wem das gelingt, der kommt in den ästhetischen Genuss des Verstehens des Verstandenen.

 

Horst-Jürgen Gerigk: Dichterprofile. Tolstoi, Gottfried Benn, Nabokov. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2012. 140 S., Fr. 54.50.

Germanistik. Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen. 2013, Band 54, Heft 3-4

 

Gerigk, Horst-Jürgen: Dichterprofile. Tolstoj, Gottfried Benn, Nabokov. - Heidelberg: Winter, 2012. 137 S. (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte; 312) ISBN 978-3-8253-6117-4: € 39.00

 

Der Studie geht es nicht um einen Vergleich zwischen den drei Autoren, die »verschiedener gar nicht denkbar sind« (7), als vielmehr darum, in drei separaten Aufsätzen ihre jeweilige poetologische Eigenart herauszuarbeiten. Der Schwerpunkt liegt auf Tolstoj, dem knapp die Hälfte des Bandes gewidmet ist. Der Beitrag versteht sich als ein Porträt zu dessen 100. Geburtstag und zeichnet seinen Werdegang als Schriftsteller nach.
Schwerpunktmäßig wird auf die Romane Krieg und Frieden und Anna Karenina sowie die Erzählungen Aufzeichnungen eines Markörs und Der Teufel eingegangen. Bei Benn wird dagegen die für sein Werk maßgebende anthropologische Prämisse aufgedeckt, d. h. das Menschenbild, »in das die Welt eines literarischen Textes eingelagert ist« und »das Ensemble der Faktoren, die die Selbstverständlichkeiten jener Welt ausmachen, die von einem literarischen Text erschlossen wird« (80). Benn nehme die Situation des empirischen Menschen aufgrund von Krankheit und Tod »nur noch unter dem Bannfluch seiner Vergänglichkeit« wahr (85). Das wird an Drei alte Männer und Chopin expliziert. Im letzten, Nabokov gewidmeten >Profil< zeichnet der Verf. unter dem Titel »Skizze seiner Sozialisation und ihrer Folgen« den Lebensweg Nabokovs nach und fokussiert dabei mit »dem Selbstverständnis als wahrgenommene potentielle Ich-Spaltung« und »der Lebensreise« (107) die dominierenden Motive seiner Romane. Maschenka, Lolita und Pnin sind dafür die Belegtexte, an denen er auch die - von Nabokov selbst geleugnete Bedeutung Dostojewskijs in thematischer und erzähltechnischer Hinsicht offenlegt. Auf profunde Weise gibt der Band einen subtilen Einblick in das Denken der drei Autoren. 

Sandra M. Moraldo, Milano

Eslavística Complutense 14 (2014)

 

GERIGK, Horst-Jürgen (2012): Dichterprofile. Tolstoj, Gottfried Benn, Nabokov, Universitätsverlag Winter, Heidelberg, 137pp.

Horst-Jürgen Gerigk es probablemente un autor poco conocido entre el gran público debido al hecho de que su obra se encuentra hasta el día de hoy sin traducir al español. De formación filológica y filosófica (entre sus maestros se encuentran Dimitri Čiževski y Hans-Georg Gadamer), este investigador alemán nacido en Berlín en el año 1937 es, no obstante, un reconocido especialista en la literatura rusa del siglo XIX y, en concreto, en su recepción en la sociedad norteamericana del siglo XX. Asimismo, es una destacada autoridad mundial en Dostoievski, a quien ha dedicado innumerables estudios y ha promocionado como miembro fundador en 1971 de la International Dostoevsky Society (www.dostoevsky.org).

La obra que se presenta a continuación es una recopilación de tres ensayos dedicados a L. Tolstói, a G. Benn y a V. Nabokov. La intención del profesor Gerigk a la hora de presentar a estos tres escritores tan aparentemente dispares bajo el título de «perfiles de poeta» (Dichterprofile) es la de mostrar que, aunque en sus obras se encuentren ideas filosóficas, religiosas o antropológicas, el investigador no ha de olvidar que se enfrenta ante un conjunto de textos esencialmente literarios que representan el «producto destilado de su existencia poética» (pág. 10).

El ensayo que inaugura esta obra está dedicado a León Tolstói («Lew Tolstoj. Ein Porträt zu seinem 100. Todestag»; León Tolstói. Un retrato en su 100º aniversario; págs. 15-75) y en él se trata la importante cuestión hermenéutica de cómo se ha de leer a un autor que a lo largo de la historia de su recepción ha sido considerado «como escritor, como moralista y como crítico de la cultura» (pág. 17). La respuesta de Gerigk es tajante: «El crítico de la cultura, el pensador cristiano y el pedagogo salen del escritor. No al revés» (pág. 22). Es decir, a Tolstói hay que considerarlo, ante todo, un escritor que sólo posteriormente critica, teoriza, moraliza o sermonea, como se observa en el epílogo a La sonata Kreutzer (íbid.).

Acto seguido, Horst-Jürgen Gerigk se centra en la problemática tolstoiana de los peligros que conlleva la socialización del individuo. En este contexto, Gerigk traza toda una serie de paralelismos con la obra de Heidegger Ser y tiempo (1927), destacando cómo el filósofo alemán se hace eco de La muerte de Iván Ilich para ilustrar su reflexión acerca del «Ser-sí-mismo cotidiano y el uno» (§ 27, Alltägliche Selbstsein und das Man). Así, de la misma manera que la obra de Heidegger permite comprender muchos aspectos fundamentales del texto del escritor ruso, éste, a su vez, constituye «la mejor introducción que uno se puede imaginar a Ser y tiempo de Heidegger» (pág. 26).

Tras el análisis y el esclarecimiento de algunos aspectos claves de Guerra y paz (pág. 31-73), Gerigk hace una breve referencia a Ana Karenina, descartando que se trate en absoluto de una historia de amor. El objetivo del escritor ruso con esta obra era presentar ante el lector «una denuncia anti-romántica de la obsesión sexual, una denuncia en nombre de una ética conservadora, cuyos representantes modelos son Constantin Levin y la señora Kitty (quienes llevan un matrimonio feliz)» (pág. 74).

El segundo ensayo está dedicado a Gottfried Benn («Der empirische Mensch. Gottfried Benns anthropologische Prämisse»; El hombre empírico. Las premisas antropológicas de Gottfried Benn, págs. 77-93), de quien se intenta descifrar sus premisas antropológicas con la ayuda de la distinción kantiana entre homo noume-non y homo phaenomenon que, aplicada a Benn, se refleja en «el hombre inteligible» y «el hombre empírico». Identificándose estos dos tipos de hombres en la historia de la literatura con el género de la «tragedia» y de la «comedia» respectivamente, Gerigk señala cómo «el hombre inteligible» habría estado presente hasta prácticamente Schiller y Dostoievski, siendo a partir del autor de El idiota que aparece en primer plano «el hombre empírico» (págs. 78-80).

En este contexto, Benn se presenta como un defensor del hombre empírico con su obra lírica (pág. 80-88) y, sobre todo, con su «testamento espiritual» Drei alte Männer (Tres ancianos). De esta última, Gerigk destaca la crítica realizada a dos de los más «poderosos abogados del hombre inteligible», es decir, a Schiller y a Dostoievski, a los que se les acusa de convertir todo postulado moral en un ideal ilusorio, es decir, «fantasmagórico» al ignorar en sus obras al hombre empírico (pág. 92).

Con Vladímir Nabokov se entra en el tercer y último ensayo que comprende esta obra dedicada a exponer «perfiles de poetas» («Vladimir Nabokov. Skizze seiner Sozialisation und ihre Folgen»; Vladímir Nabokov. Esbozo de su socialización y sus consecuencias; págs. 96-118). Tras delinear toda una serie de paralelos vitales con Thomas Mann (págs. 98-99) y con Aleksandr Solženitsyn (págs. 100-103), Gerigk se centra en las obras de Nabokov Máshenka, Pnin y Lolita con la intención de destacar la gran influencia de Dostoievski que se puede detectar en ellas. Las evidentes semejanzas entre Lolita (1955) y Crimen y castigo (págs. 110-118) le permiten a Gerigk explicar los motivos de la supuesta antipatía de Nabokov hacia Dostoievski, argumentando que el único propósito de esta crítica era preservar «sus pretensiones de originalidad» en el arte de la creación literaria subjetiva (pág. 113).

Como se puede observar, el estudio de Horst-Jürgen Gerigk es de gran utilidad no sólo para el interesado en profundizar en la obra de Tolstói, Benn o Nabokov, sino también para el especialista en Dostoievski. En efecto, gracias a las distintas comparaciones que establece el investigador alemán en sus exposiciones, al estudioso de la obra de Dostoievski se le ofrecen toda una serie de nuevas claves interpretativas que le ayudarán a comprender mejor la producción del genial escritor ruso, así como también su innegable huella e influencia en la literatura universal.

 

Jordi Morillas

Coordinador Regional de la Sección Española

de la International Dostoevsky Society

Komparatistik

Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft 2014/2015

 

Herausgegeben im Auftrag des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft


Horst-Jürgen Gerigk: Dichterprofile. Tolstoj, Gottfried Benn, Nabokov. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2012.

 

Die Dichterprofile von Horst-Jürgen Gerigk versammeln drei unabhängige literaturwissenschaftliche Miniaturen über die kanonischen Schriftsteller Lew Tolstoj, Gottfried Benn und Vladimir Nabokov. Der sich aufdrängenden Frage nach den Gemeinsamkeiten zwischen diesen Autoren wird gleich in der Einleitung eine Dementierung jeglicher komparatistischen Intention entgegengesetzt. Gerigk geht es nicht um einen Vergleich, sondern um eine differenzierte Herausarbeitung dreier unterschiedlicher literarischer Denk- und Aktionsräume. Diese Heterogenität soll dem Leser eine „Phänomenologie der Schaffenspsychologie" (S. 13) vor Augen führen und den eigenen Denkraum statt zu komprimieren zu entfalten helfen.

Eine Verbindung zwischen Tolstoj, Benn und Nabokov kommt dennoch zustande; hierzu trägt die gleiche Methode bei, mit der Gerigk den Dichtern und ihren Texten begegnet und durch die er eine analytische Korrelation entstehen lässt, deren Drehkreuz Dostojewskij bildet. Sowohl Tolstoj als auch Benn und Nabokov werden an mindestens einer Stelle dem Werk und Wirken Dostojewskijs gegenübergestellt, was weniger einer systematischen Untersuchungsstrategie zuzuschreiben ist als der Tatsache, dass Gerigk als versierter Kenner von Dostojewskij letzteren wie selbstverständlich zur Abgleichung dichterischer Errungenschaften heranzieht.

Daneben finden zwei Kriterien als gezielte analytische Prüfsteine Anwendung: zum einen die .anthropologische Prämisse' und zum anderen der .ästhetische Zustand'. Der Begriff des .ästhetischen Zustands' ist Nietzsches Vokabular entlehnt und meint „die Enthebung aus dem Alltäglichen im Rausch der Begeisterung" (S. 56), wobei dieser sinnliche Austritt je nach Autor eine unterschiedliche Bewertung erhält. Unter der .anthropologischen Prämisse' ist „das Menschenbild zu verstehen, in das die Welt eines literarischen Textes eingelagert ist. Die anthropologische Prämisse meint das Ensemble der Faktoren, die die Selbstverständlichkeit jener Welt ausmachen, die von einem literarischen Text erschlossen wird" (S. 80). Allerdings darf der Leser der Dichterprofile keine stringente Analyse in Abarbeitung dieser beiden Kriterien erwarten. So definiert Gerigk beispielsweise den Begriff der anthropologischen Prämisse erst im zweiten Kapitel seines Buches, wodurch die Verfahrensweise seiner Untersuchung nur im Verlauf der Lektüre einsichtig wird.

 

Die drei Dichter werden entsprechend ihrer im Titel angeführten Reihenfolge und im Abgleich mit ihren Geburtsdaten vom ältesten zum jüngsten Autor in drei separaten Kapiteln porträtiert. Den Auftakt macht der ausführlichste der Aufsätze, jener über Tolstoj (1828-1910). Als Mitglied des bekannten Quartetts russischer Romanschreiber der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet er Einreihung neben Gontscharow, Turgenjew und Dostojewskij. In seinem kulturkritischen Denken folgte Tolstoj allerdings nicht seinen russischen Kollegen, sondern der Aufklärungstheorie Rousseaus. Gepaart mit christlicher Ethik entstand daraus die Philosophie eines pädagogischen Dichters, wobei einer paraphrasierenden Werkeinteilung im Zuge einer Aufstellung von drei Lebensabschnitten des Dichters verlieb nehmen: Benns Zeit von der Geburt bis zum Studium, daraufhin sein zweiter Lebensabschnitt vom promovierten Arzt zum erfolgreichen, und durch den - wie Gerigk es leichthin nennt - „Flirt mit Adolf Hitler" (S. 87) wieder gefallenen Dichter, sowie zuletzt seine Jahre im Nachkriegsruhm.

Im dritten Kapitel wird das Profil Vladimir Nabokovs gezeichnet (1899-1977), dessen dreidimensionale Karriere als Schriftsteller, Universitätsprofessor und Schmetterlingsforscher in seiner russischen Kindheit und Jugend Veror-tung findet. Auch Nabokovs literarische Sozialisation sieht Gerigk im Lichte der symbolistischen Werke aus dessen Herkunftsland und seine Romane in der Nachfolge des Fin de Siecle bzw. der Moderne eines Joyce, Kafka, Belyj und Proust. So wird Nabokov als Ästhetizist veranschaulicht, dem seine literarischen Gegenstände nur Modelliermasse imaginärer Spielereien sind. Gerigk zufolge geht es Nabokov „um die ahistorischen Paradigmen menschlicher Existenz. Alle Thematik ist ihm nur Medium für das Ausgedrückte, das ohne Konkretion nicht sichtbar wäre, deshalb auf sie angewiesen bleibt, aber ihr nicht untersteht" (S. 102). Die Motive, die sich hierfür eignen, sind jene des Doppelgängers und der Lebensreise, die auch vermehrt bei Dostojewskij zu Tage treten. In ihnen wird ebenso wie im Symbol des Schmetterlings das Ich im Wechsel der Gestalten ständig diffundiert. Nabokovs ästhetischer Zustand kennt keine Auflösung, da er stets auf sich selbst zurückweist. Anhand von Maschenka, Pnin und am ausführlichsten anhand von Lolita beleuchtet Gerigk Nabokovs imaginäre (Un-)Wirklichkeiten, die er positiv formuliert „Selbstschöpfung", negativ formuliert „Selbstinszenierung" nennt (S. 96). Mit Nabokov schließt sich der Kreis wieder zu Tolstoj, insofern Nabokov auf letzteren als den bedeutendsten russischen Prosaschriftsteller verwies, während er Dostojewskij herabsetzte (S. 113). Als Grund für die Geringschätzung Dostojewskijs führt Gerigk Nabokovs möglicherweise unbewußte Furcht vor dem wohl konkurrenzfähigsten schriftstellerischen Ebenbild ins Feld.

Die Dichterprofile ermöglichen einen anschaulichen, wenngleich begrenzten Einblick in einige wesentliche Merkmale der Schriften Tolstojs, Benns und Nabokovs. In der Wahl des Titels für diese bündige Monographie wird ihr Gehalt akkurat bezeichnet. Ausführliche, textanalytische Studien sind nicht zu erwarten. Stattdessen werden Profile, also Konturen und Umrisse der ausgewählten Dichter und ihrer Werke gezeichnet, die dem Leser eine ungezwungene Annäherung an alle drei Autoren ermöglichen und daneben noch einige inter-textuelle Anreize zu verwandten Denkern mit auf den Weg geben.

 

Christina Marie-Charlotte Hoffman

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